07.12.2022
Ein Jahr Ampelkoalition – Tiefkühlwirtschaft mit kritischem Fazit
Die Tiefkühlwirtschaft stellt SPD, Grüne und FDP zum Jahrestag der Regierungsübernahme ein mäßiges Zeugnis aus. „Nach einem Jahr Ampel-Koalition fällt unsere Zwischenbilanz für die rot-grün-gelbe Ernährungs- und Wirtschaftspolitik mager aus“, fasst Sabine Eichner, Geschäftsführerin des dti, die Kritik zusammen. Vieles, was im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, sei bis jetzt nicht oder nur teilweise umgesetzt worden. Ein Grund hierfür sei natürlich der Angriff Russlands auf die Ukraine, so der Branchenverband: "Aber dennoch: Gerade in der Krise erwartet die Tiefkühlwirtschaft mehr Unterstützung und mahnt dringend Entlastungen angesichts der enorm gestiegenen Energiekosten sowie ein Belastungsmoratorium an. Für eine wettbewerbsfähige und sichere Lebensmittelversorgung in Deutschland brauchen wir eine starke Tiefkühlindustrie!“
Bei dem wichtigen Nachhaltigkeitsziel, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, sei bisher wenig Zielführendes geschehen, moniert das dti. Kritisch blickt der Verband auf das Vorhaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), eine Halbierung der Lebensmittelverluste in der Verarbeitung vorzugeben. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen nach Ansicht des BMEL verbindliche Sektor-Ziele definiert werden, für die aber die wissenschaftlichen Datengrundlagen fehlen. Die Tiefkühlwirtschaft habe dagegen als erste Teilbranche der Lebensmittelindustrie 2021 mit der „Check Food Waste“-Methode Lebensmittelverluste systematisch erfasst, betont das dti. „Nur wer Lebensmittelverluste misst, kann sie weiter wirksam reduzieren“, sagt dti-Chefin Eichner. „Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass die meisten Unternehmen der Tiefkühlwirtschaft bereits sehr effizient arbeiten: Pauschale Zielvorgaben seitens der Politik sind deshalb nicht das richtige Mittel, um Verluste weiter zu reduzieren. Wir brauchen mehr Aufklärung und Ansätze für die privaten Haushalte, in denen mehr als die Hälfte der Lebensmittelverluste entsteht.“
Ernährungsstrategie
Ein wichtiges Ziel der Ampel-Koalition ist die Formulierung einer „Ernährungsstrategie“ bis 2023. Das BMEL hat diesen Prozess nun gestartet, an dem das dti sich nach eigenen Angaben aktiv und konstruktiv beteiligt: „Tiefkühlkost muss in der Ernährungsstrategie eine wichtige Rolle spielen“, fordert dti-Geschäftsführerin Sabine Eichner. „Frische, natürliche und lange haltbare Lebensmittel sind unverzichtbar, um die Versorgung und die Ernten zu sichern und eine gesunde, nachhaltige und nährstoffreiche Ernährung zu gewährleisten.“
Nutri-Score
Skeptisch blickt die Tiefkühlwirtschaft auf die angekündigte Weiterentwicklung eines EU-weiten Nutri-Scores. Mit dieser Kennzeichnung können Verbraucher:innen beim Einkaufen Lebensmittel der gleichen Produktkategorie einfach miteinander vergleichen. Die Tiefkühlbranche war auch beim Nutri-Score Vorreiterin für Transparenz: Das Label ist in der Tiefkühl-Abteilung sehr weit verbreitet, wie der aktuelle Marktcheck der Verbraucherzentrale Hamburg zeigt. "Das BMEL tut bisher zu wenig, um die Einführung in der EU voranzubringen, die Anwendung in der deutschen Wirtschaft zu unterstützen und die Bekanntheit der Kennzeichnung bei den Verbraucher:innen zu steigern", urteilt das dti: "Im Gegenteil: Die überarbeiteten Leitlinien zur Berechnung des Nutri-Score machen den marktwirtschaftlichen Anreiz für Unternehmen zunichte, sich durch die Überarbeitung ihrer Rezepturen eine bessere Kategorie zu 'verdienen'."
Herkunftskennzeichnung
Im Ampel-Koalitionsvertrag steht das Vorhaben, eine umfassende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel einzuführen. "Von einer nationalen Insellösung ist allerdings dringend abzuraten", unterstreicht der Verband. In einem ersten Austausch zwischen BMEL und Wirtschaftsverbänden hat das dti seine Position klar gemacht: Eine Herkunftskennzeichnung von einzelnen Zutaten in verarbeiteten Lebensmitteln, wie vom BMEL vorgeschlagen, lehnt die Tiefkühlwirtschaft ab. Nutzen und Kosten für ein solches Projekt stehen in keinem sinnvollen Verhältnis.
Pflanzliche Alternativen
Die Ampel hat sich außerdem vorgenommen, pflanzliche Alternativen zu Fleischprodukten zu stärken. Hierfür wäre es aus Sicht des dti unbedingt notwendig, die landwirtschaftliche pflanzliche Produktion attraktiver zu machen. "Schon heute haben unsere Verarbeitungsunternehmen Schwierigkeiten, die notwendigen Rohstoffmengen zu bekommen. Es fehlen Anreize für die Bauern, das Anbauangebot auszuweiten", erklärt das Deutsche Tiefkühlinstitut.
Energiekosten
Das alles bestimmende Thema in diesem Jahr waren und sind für die Tiefkühlwirtschaft die massiv gestiegenen Energiepreise in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Diese stellen die Unternehmen zusätzlich zu den bereits bestehenden Belastungen durch gestörte Lieferketten, Rohstoffknappheit oder Fachkräftemangel vor enorme Herausforderungen. Das dti schätzt die intensive politische Arbeit an den finanziellen Entlastungen angesichts der massiven Kostensteigerungen für Energie, warnt jedoch vor einer erheblichen nationalen Wettbewerbsverzerrung, wenn die Energiepreisbremsen so wie vom Kabinett beschlossen umgesetzt werden.
„Für die Zukunft der Tiefkühlwirtschaft wünschen wir uns eine gesicherte Rohstoff- und Energieversorgung, ein klares Bekenntnis zu europäischen Regelungen im Lebensmittelrecht und eine wertschätzende Rolle für Tiefkühlprodukte in der Ernährungsstrategie“, sagt dti-Geschäftsführerin Sabine Eichner. „Sie sind für die gesunde, nachhaltigere Ernährung der Menschen unverzichtbar. Die Wettbewerbsfähigkeit der Tiefkühlwirtschaft muss durch bezahlbare Energie und einen zügigen Ausbau Erneuerbarer Energien unterstützt werden. Wir müssen das Regulierungsdickicht straffen und steuerliche Verbesserungen erreichen. Die Unternehmen brauchen alle Kraft für mehr Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Dazu suchen wir den Dialog mit den Ampel-Parteien.“
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