27.11.2024
dti-Qualitätsforum: "Das Bashing muss ein Ende haben"
Das 15. Qualitätsforum des Deutschen Tiefkühlinstituts versammelte am Montag (25.11.) mehr als 60 QM-Expertinnen und -Experten in Köln. Für intensive Diskussionen sorgte das Thema hochverarbeitete Lebensmittel.
Eröffnet wurde die Fachtagung von Dr. Sabine Eichner. In ihrer Begrüßung kündigte die dti-Geschäftsführerin ein ebenso abwechslungsreiches wie hochkarätiges Programm an - ein Versprechen, das die Veranstaltung mit ihren insgesamt acht Vorträgen vollends einlöste, wie nicht zuletzt der langanhaltende Schlussapplaus des Auditoriums zeigte.
Vorgestellt von der Vorsitzenden des dti-Qualitätsausschusses, Jessica Maurer (Iglo), sprach zum Auftakt Dr. Kiran Virmani über die aktualisierten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die DGE-Geschäftsführerin beschrieb vor allem die wissenschaftliche Herleitung der Ernährungsempfehlungen, die erstmals auch Umweltfaktoren berücksichtigen.
Differenzierte Betrachtung von UPFs gefordert
Anschließend referierte Prof. Dr. Elke Trautwein über "Hochverarbeitete Lebensmittel und gesundheitliche Risiken". Die Autorin von über 100 Fachpublikationen und Leiterin der Trautwein Consulting sprach sich für eine differenzierte Betrachtung von hochverarbeiteten Lebensmitteln (UPFs) aus. Zwar gebe es "eine geradezu inflationäre Anzahl von Studien", die einen Zusammenhang zwischen UPFs und unterschiedlichen Krankheiten untersuchen, diese würde allerdings nur Assoziationen und keine Kausalitäten aufzeigen, betonte Prof. Trautwein. Ein eindeutiger Mechanismus zum Einfluss von UPFs auf gesundheitliche Risiken sei nicht bekannt.
Die NOVA-Klassifikation, die Art, Umfang und Zweck der industriellen Verarbeitung von Lebensmitteln in vier Gruppen einteilt, kritisierte Prof. Trautwein als "unspezifisch, inkonsequent und subjektiv". Das Konzept müsse dringend reformiert werden, mahnte die Ökotrophologin.
Prof. Trautweins Plädoyer stieß beim Publikum auf große Zustimmung. In der anschließenden Diskussion beklagte Prof. Dr. Hannelore Daniel, dass UPFs inzwischen als "das ultimative Böse eingestuft" würden, obwohl Lebensmittelverarbeitung oft nur Upscaling bedeute. Die akademische Lehre in den Ernährungswissenschaften habe es vernachlässigt, die Vorteile der industriellen Verarbeitung zu beschreiben, gleiches gelte für die Lebensmittelindustrie gegenüber der Öffentlichkeit.
Auch Sabine Eichner forderte, dass das pauschale Bashing von hochverarbeiteten Lebensmitteln ein Ende haben müsse. "Da müssen wir im neuen Jahr mehr Dampf machen", so die dti-Geschäftsführerin.
"Neue Lebensmittel, neue Werte, neue Dissonanzen"
Nach der Mittagspause ergriff Prof. Dr. Hannelore Daniel erneut das Wort, diesmal vom Podium aus. In ihrem vielschichtigen Vortrag beschrieb die mehrfach ausgezeichnete Ernährungswissenschaftlerin "Neue Lebensmittel, neue Werte, neue Dissonanzen". Als Beispiele für neue Lebensmittel bzw Produktionsweisen führte Prof. Daniel unter anderem Insekten, Mycellium, Solein oder plant-cell-culture auf und attestierte vielerorts spannende Ansätze und Potenziale. Etliche der neu entstehenden Produkte würden allerdings am Preisniveau der konventionellen Produkte scheitern, erklärte das Mitglied der Leopoldina, es sei denn, Umweltkosten würden zukünftig miteingepreist. Ein anderes Problem seien die langen und teuren Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel in Europa. "Gehen Sie lieber nach Singapur, die stellen dort weniger Fragen", empfahl Prof. Daniel europäischen Food-Start-ups. Dass sich aber der Sektor Lebensmittel/Ernährung auf allen Ebenen und in allen Wertschöpfungsketten ändern werde, daran ließ Prof. Daniel keinen Zweifel.
Prof. Dr. Eberhard Haunhorst, seit 2002 Präsident des Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves), stellte im nächsten Vortrag Arbeitsweisen und Abläufe seiner Institution im Fall von Lebensmittelrückrufen vor, garniert mit praktischen Empfehlungen (nicht nur die Büro-, sondern auch die Handynummer der zuständigen Behördenmitarbeiter griffbereit haben) und aktuellen Zahlen von TK-Beanstandungen in Niedersachsen.
KI: Modewort oder Meilenstein
Wie Reststoffe wertschöpfend für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion genutzt werden können, war dann das Thema von Dr.-Ing. Nadine Schulze-Kaysers von der Universität Bonn. Beispielhaft an Kichererbsen-Aquafaba, Himbeer- und Cranberrytrester zeigte die Ökotrophologin auf, welche Potenziale in der Nutzung von Reststoffen liegen und auf welche Schwierigkeiten die Forschung stößt.
Der Frage, ob KI ein Modewort oder Meilenstein ist, widmete sich schließlich Prof. Dr. Hergen Pargmann. Der Gründer und Geschäftsführer der CompanyMind GmbH & Co KG zeigte verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz auf und erklärte, wie diese helfen können, Qualitätsmanagement sichtbar zu transformieren.
Abgerundet wurde das Tagungsprogramm von zwei Break-out-Sessions. Dipl.-Ing. Franz-Bernd Kosmann von der CLK GmbH Bildbearbeitung und Robotik sprach über Fremdkörper in Mehrkopfwaagen und die technologische Innovation mittels KI in der Bildbearbeitung. Christian Löwe von der Heute Maschinen GmbH informierte über Hygieneschleusen für Personen und Transportwagen und wie eine prozesssichere Trennung erfolgen kann.
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